LEO ASAL
Drummer | Composer
Jakob Bänsch Quartett @ Deutsches Jazz Festival Frankfurt
Oktober 23 @ 7:00 pm - 11:00 pm
1. Konzert
EVER SO LIGHTLY
A Song Cycle by Omer Klein
hr-Bigband feat. Omer Klein und Becca Stevens
Becca Stevens | Gesang
Omer Klein | Piano & Komposition
Hendrika Entzian | Leitung
hr-Bigband
Omer Kleins mitreißende Auftritte werden vom Jazz at Lincoln Center in New York bis zum Wiener Konzerthaus in den renommiertesten Musentempeln gefeiert. Seine Musik, von der New York Times als „grenzenlos“ und „zukunftsweisend“ bezeichnet, verbindet Jazz mit der Folklore des südöstlichen Mittelmeerraums und eine häufig lebhafte tänzerische Energie mit gesanglicher Melodik. Nicht vielen Jazzmusikern gelingt es wie Omer Klein, Komplexität und Zugänglichkeit miteinander zu kombinieren.
1982 als Enkelkind von Immigranten aus Tunesien, Libyen und Ungarn in Israel geboren und aufgewachsen, entdeckt er früh die Faszination für die weißen und schwarzen Tasten. Nach Studien in Boston bei Danilo Pérez, Ran Blake und dem klassischen Pianisten Alexander Korsantia fasst er rasch Fuß im Big Apple, wo er u. a. mit Meshell Ndegeocello und Donny McCaslin zusammenspielt. Es ist aber vor allem die eigene Musik des schaffensfreudigen Komponisten, die ihn international bekannt macht. Seit 2006 hat er zehn Alben unter seinem Namen veröffentlicht, viele davon eingespielt mit seinem 2013 gegründeten Trio. Daneben sucht Klein beständig nach Herausforderungen, etwa von der folkinspirierten Kollaboration mit dem Mandolinenstar Avi Avital bis hin zur Begegnung mit einem Sinfonieorchester oder der Komposition einer Tanztheater-Musik für das Schauspiel Frankfurt.
Als ihn Olaf Stötzler (Manager der hr-Bigband) nach der größtmöglichen Idee für ein gemeinsames Projekt fragte, eines das ihn auch als Komponist herausfordern würde, besann sich Omer Klein auf einen lang gehegten Wunsch. Schon in seiner Jugend hatte er hebräische Gedichte vertont, was in Israel bis in die Popmusik hinein eine regelrechte Tradition hat. Seitdem trug sich der Pianist mit dem Gedanken, das wieder zu tun, aber nun in einer Sprache, die sein internationales Publikum auch verstehen würde. Schlüsselwerke von englischen, amerikanischen und irischen Dichtern sollten es daher sein, vertont für die hr-Bigband und Gesang.
Also ging Klein mit der Aufgabe nach Hause, geeignete Vorschläge zu machen. Und da er seine Projekte gründlich vorbereitet – für eine Plattenaufnahme mit zehn Tracks bringt er eher 40 Kompositionen mit ins Studio, um die besten auswählen zu können – checkte er etliche Sängerinnen und Sänger, die er in einer Mail an Olaf Stötzler zu einer langen Liste ordnete. Doch am Ende löschte er sie alle wieder und schickte nur folgenden Text: „Here’s my list: Becca Stevens“.
„She’s not like any other singer/songwriter I’ve ever met. And she’s pretty spectacular good”, hat David Crosby über die in New York lebende Musikerin gesagt. Esperanza Spalding, Jacob Collier, Snarky Puppy, Brad Mehldau; die Liste der Künstlerinnen und Künstler, die Becca Stevens‘ Zusammenarbeit suchten, ist lang und außergewöhnlich vielfältig, genau wie übrigens auch die Erscheinungsformen ihrer eigenen, aus vielen Quellen schöpfenden Musik. Wer sich auf der Suche nach ihr durch das Internet klickt, wird reich belohnt.
Orchestrieren wird Omer Kleins Kompositionen der New Yorker Arrangeur Mike Holober, der von diversen Projekten mit der hr-Bigband in bester Erinnerung ist. Wie schön, dass Omer Klein, der ja seit einigen Jahren hier in Frankfurt lebt, einen so spektakulären Einstand auf dem Deutschen Jazzfestival Frankfurt gibt! Vielversprechender könnte dieses Festival nicht beginnen.
2. Konzert
Jakob Bänsch Quartett
Jakob Bänsch | Trompete & Flügelhorn
Niklas Roever | Piano
Jakob Obleser | Kontrabass
Leo Asal | Schlagzeug
„Bis zu meinem 15. Geburtstag wollte ich gar nicht Berufsmusiker werden“, erzählt Jakob Bänsch dem Online-Magazin kulturnews. Musikalisch habe er zunächst noch ein Doppelleben zwischen Klassik und Jazz geführt, bis ihm klar geworden sei, „dass man dafür wirklich ein Wunderkind sein müsste – wie etwa Wynton Marsalis. Der kann beides auf hochprofessionellem Niveau.“ Bescheidenheit oder realistische Selbsteinschätzung? Jedenfalls studiert der 15-jährige als Jungstudent Jazz an der Stuttgarter Musikhochschule und beginnt sich einen Namen in der Szene zu machen. Mit 17 wird er zu einem der jüngsten Mitglieder des Bundesjazzorchesters und bald außerdem zum WDR Young Composers Fellowship Programm, zur Elbphilharmonie Jazz Academy und als Gastsolist der WDR Big Band eingeladen. Kollegen wie Wolfgang Haffner, Nils Landgren oder auch Emil Mangelsdorff ließen und lassen sich ebenso von dem Ausnahmetalent auf der Trompete begeistern und inspirieren.
Sein Album „Opening“ wurde im April mit dem Deutschen Jazzpreis 2024 als „Debüt-Album des Jahres“ ausgezeichnet. Dabei erstaunt nicht nur die spielerische, sondern auch die kompositorische Klasse des zum Zeitpunkt der Veröffentlichung gerade mal 20-jährigen Musikers. Seine Musik sei nicht nur von Jazzgrößen wie Wayne Shorter oder Maria Schneider inspiriert, sondern auch von klassischen Komponisten wie Maurice Ravel, Alexander Scriabin oder Gustav Mahler, gibt der als Sohn eines Hornisten in Pforzheim geborene Trompeter zu Protokoll. Gerade im Hinblick auf Dramaturgie und Leitmotivik habe er sich einiges bei den Vorbildern aus der Klassik abgeschaut. Und tatsächlich bewegen sich Bänsch und seine jungen Mitmusiker mühelos und selbstverständlich zwischen kammermusikalischem Schönklang und zupackender Jazzenergie.
Mit Jakob Bänsch präsentiert das Deutsche Jazzfestival Frankfurt einen Rising Star des deutschen Jazz, ist aber mit dieser Idee nach Jazz Baltica, Jazzopen Stuttgart und Leverkusener Jazztagen und anderen keineswegs das erste Festival, das diesem Ausnahmetalent die große Bühne bietet.
3. Konzert
Emma Rawicz CHROMA
Emma Rawicz | Saxofon
Ivo Neame | Piano
Jim Hart | Vibrafon
Kevin Glasgow | Bass
Asaf Sirkis | Schlagzeug
Emma Rawicz gibt Anlass zum Staunen! „Größe ist keine Frage des Alters“, soll Miles Davis gesagt haben, natürlich in Bezug auf Tony Williams und Herbie Hancock, die er mit 17 bzw. 23 Jahren in sein Quartett holte. Angesichts der englischen Saxofonistin Emma Rawicz fühlt man sich unweigerlich an dieses Zitat erinnert. Wer ihr Album CHROMA (ACT 2023) hört oder eine ihrer Performances im Netz ansieht, erlebt eine Musikerin, die scheinbar bereits im Pantheon angekommen ist. Der Begriff „Ausnahmetalent“ will bei ihr schon nicht mehr greifen. Ihr Ton, ihr Ausdrucksspektrum, die erzählerische Qualität und Dramaturgie ihrer Improvisationen, die schiere Energie und Virtuosität ihres Spiels: All das ist schon jetzt meisterhaft.
In ihrer Heimat hat man Emma Rawicz bereits mit diversen Preisen ausgezeichnet, Presse und Szene sind voll des Lobes. Bereits zwei hochkarätig besetzte Alben hat sie mit 21 Jahren vorzuweisen. Auch deutlich erfahrenere Mitspieler wie etwa der Gitarrist Ant Law oder der Pianist Ivo Neame sind so überzeugt von der Qualität, dass sie bei gemeinsamen Auftritten ausschließlich Eigenkompositionen von Rawicz interpretieren. Tatsächlich klingt ihre Musik bereits eigenständig und sie schöpft aus zahlreichen unterschiedlichen Quellen, ohne dabei beliebig zu wirken.
Umso erstaunlicher, als die im ländlichen North Devon aufgewachsene Rawicz erst im Alter von 15 Jahren den Jazz entdeckte und im Jahr darauf ihr erstes Tenorsaxofon bekam. Dazu musste sie ihre Eltern überreden, denn vorher hatte sie auf Geige, Klavier und Klarinette nur klassisches Repertoire gespielt. Schon nach den ersten Tönen auf dem Tenorsaxofon wusste sie, dass sie ihr Instrument gefunden hatte, erzählt sie im Interview. Wer schon einmal versucht hat, einem Saxofon überhaupt einen Ton zu entlocken, wittert hier schon die besondere motorische Begabung. Dass Emma Rawicz außerdem Synästhetikerin ist, also in ihrem Fall Harmonien und Akkorde mit Farben und Formen verbindet, hilft ihr insofern, als sie sich „einfach auf Farben statt auf ein kompliziertes Notenblatt konzentrieren kann“. Die Stücke ihres Albums CHROMA verdanken sich somit nachvollziehbar auch „farblichen“ Ideen.
„Mich inspiriert die Arbeit mit älteren Musikern und mit Leuten aus meiner Generation gleichermaßen“, sagt Emma Rawicz dem Online-Magazin kulturnews und fährt fort: „Schöne Grüße an die alten Hasen: Ihr führt mich, beratet mich, und jedes Mal, wenn ich mit euch spiele, lerne ich so viel.“ Wäre nicht verwunderlich, wenn das auf Gegenseitigkeit beruhen würde.